EURO2012-Tagebuch (20)

[Vorrunde]

18.06.2012:

Kroatien – Spanien (20:45 Uhr – Donezk – ZDF)

Italien – Irland (20:45 Uhr – Posen – ZDF)

Kroatien gegen Spanien ist für mich eine Wundertüte, da kann einiges passieren. Die rechnerisch schon ausgeschiedenen Iren werden die Italiener ärgern, aber dennoch mit null Punkten nach Hause fahren. Hauptsache, sie haben die Lieder schön.

Der gestrige Spieltag:

Portugal – Niederlande 2:1 (1:1)

Die Niederländer mit 15 Stürmern und Offensivspielern schaffen es nicht, die Portugiesen um den gegelten Schmierlappen zu schlagen. In der Tradition der Franzosen scheitert der Vize-Weltmeister in der Vorrunde mit null Punkten.

Dänemark – Deutschland 1:2 (1:1)

Wie schrieb blogsatz.de gestern so schwach im Glauben:

Damit ist auch der zweite Gruppenfavorit wegen des verlorenen direkten Vergleichs draußen. So langsam wird mir diese EURO unheimlich. Ich hoffe, dass uns nicht auch morgen der Sudden Death gegen Dänemark erwischt…

Nicht mit uns! Obwohl: Bevor ich „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm!“ sang, war es ein hartes Stück Arbeit, dieses „Achtelfinale“. Oder poiniterter: Zitter! Bibber! Weiter!  Immer weiter. Ehrlicherweise muß ich sagen: Ich war in der 75. bis 80. Minute auch schwach im Glauben.

Dabei fing es so gut an. Die Stimmung: Aufgeräumt und siegessicher, ich fußballewiggestrig: Das Foul und das Handspiel von 1992 von mir unvergessen. 11.000 Awaysupporter. Das 100. Spiel für Lukas Podolski. Es war alles angerichtet für ein Fußballfest. Kurz noch gekalauert:

Thünnwardt Tünnenson: „Der Schiedsrichter ist dafür bekannt, dass er schnell zieht!“

Ich entgegnete: „Ist er Revolverheld?“

… und dann konnte es losgehen. Müller in der 4 oder 5. Minute wie Gomez 2008 in Wien. Unser Team drückend überlegen und Lukas Podolski macht sich selbst das größte Geschenk zum 100. Spiel. Eckball. Der zweite. Ich habe kein gutes Gefühl. Das 1:1 mit Ansage. Es sah gut aus, was die Deutschen in der ersten Halbzeit spielten, sie hätten nur ein Tor mehr machen müssen.

In der Pause Anatomiekurs mit Mehmet Scholl: „Rumpf, Arme, Beine.“ Und Gefasele von der 2. und 3. Etage. Dann zooooooooooooooooooooooooooog sich das Spiel wie Kaugummi und meine Kernkompetenz war gefragt: „Geduld“. Ab der 65 Minute wurde ich ganz still. Schwach im Glauben. Die Niederländer schienen sich für ein Weiterkommen nicht zu interessieren und die Portugiesen rund um Schmierlapp C-3PO führten 2:1. Ein Tor der Dänen und es wäre unschön geworden.

Doch dann griff der Held des Abends ein: Vom eigenen Fünfmeterraum loslaufend, netzte er zum 2:1 ein und ich beschallte Kalk mit der Spontaninterpretation eines bekannten Pop-Gassenhauers: „Lars Bender, I gave you my heart, but the very next day, you gave it away!

Per E-Mail kam derweil Fundamentalkritik aus Hessisch-Lichtenau:

wir waren komplett überlegen, und trotzdem kurz vor dem ausscheiden. wann hat der jogi denen denn verboten, aufs tor zu schießen? das war ja heute brasilianoid zum erbrechen. den ball ins tor tragen.

am ende dann das klassische deutsche konterspiel, das die welt fürchtet.

wenn jogi gegen den griechen wieder gomez bringt, ist ihm nicht mehr zu helfen. das war heute arbeitsverweigerung, [er, HS] glaubt mittlerweile [seinen] eigenen hype. und, da bleibe ich bei, unser spiel ist so viel dümmer mit ihm. (…)

so holen wir den titel.

Denn: So ein Spiel musst Du auch erst einmal gewinnnen! Ich kenne etwa 10 Nationen bei diesem Turnier, die keinen Dreier gegen Dänemark geholt hätten. Was mir Sorgen bereitet, ist die Verfassung von Özil und Müller. Özil wurde in Manndeckung genommen, so was habe ich seit den Mittachtzigern nicht mehr gesehen, er war bis auf einen genialischen Diagonalpass in Halbzeit 1 praktisch wirkungslos und das werden die anderen Teams auch gesehen haben. Wie soll das erst gegen die Handballabwehr von Griechenland werden? Die menschliche Wand aus Athen hat sich den gestrigen Kick sicherlich auch angeschaut. Und Müller: Müller denkt zu viel. Die Leichtigkeit von 2010 ist unwiederbringbar verloren. Das, was Lars Bender gestern so unnachahmlich unter Beweis stellte, im jovialen O-Ton „Scholli“: „Er denkt nicht, er läuft„, und „Da denkt man nicht lange nach und haut das Ding rein„, geht Müller derzeit ab.

Ich wiederhole mich: Was für ein hartes Stück Arbeit! Das wird am Freitag in Danzig nicht einfacher. Aber wer in dieser Gruppe 9 (!) Punkte holt, ist keine Kirmestruppe. Und kann weit kommen. Sehr interessant waren die Interviews mit den Spielern und Prof. Dr. Löw. nach dem Spiel. Sehr zurückhaltend, sehr auf den Punkt, konzentriert, ich empfange Signale, dass sie einen klaren Plan haben. Und dieser soll an 01.07.2012 nach Kiew führen.

Mund abputze. Im Viertelfinale geht es also gegen die Griechen.

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Auch so ein 1:0 vom Weltgeist, ausgerechnet Griechenland. Solche Geschichten schreibt wirklich nur der Fußball:

Das Duell Deutschland gegen Griechenland hat auch politische Brisanz: Hunderttausende Griechen sind wegen der monatelangen Euro-Krise und der anhaltenden Kritik an dem südeuropäischen Land sauer auf die deutsche Regierung.

Wir spielen also – so martialisch es klingen mag – gegen ein ganzes Volk. In Danzig. Da könnte sich Frau Dr. Merkel mal wieder auf der Ehrentribüne blicken lassen. Mutti könnte am Freitag, ganz im europäischen Sinne und betont deeskalierend, dem griechischen Premier verstohlen einen Hunderter zustecken und sagen „Tu’s Dir weg, Jong!

Wir haben dreimal gezittert – jetzt müssen wir die Favoritenrolle gegen Griechenland annehmen. Es ist noch ein langer und nervenzehrender Weg nach Kiew. Aber dann ist es halt so.

Was sonst noch passierte / Presseschau:

Erfolg gegen Dänemark: Drittes Spiel, dritter Sieg – ab ins Viertelfinale!

Löws Wechselglück.

Bumm, Bumm, Bender!

Viertelfinale! Griechenland kann kommen.

Wer so dreckig siegt, kann Europameister werden!

Presseschau I.

Presseschau II.

Presschau III.

Ronaldo schießt Oranje aus dem Turnier.

Oranje trägt Schwarz.

Van Marwijks Zukunft nach EM-Debakel unklar.

Warum nicht mal ein Jan?

Das Martyrium des Gockels.

Zitate des gestrigen Spieltags:

Erkenntnisse:

Ich finde die Grüne Jugend in Fußballzusammenhängen in etwa so gut wie die Girlandenmenschen, die nach ’nem gewonnenen Zweikampf die Straße hupend verstopfen. Egal: Ostköln zeigt Flagge.

Die Sion-Brauerei hat jetzt eine 0,25l-Kölschflasche auf den Markt geworfen. Was ist denn das für ’n Kappes? Oder ist das für die Pubertierendenszene unter den Girlandenmenschen? „In der ersten Halbzeit Deutschland-Dänemark habe ich zehn Flaschen Bier getrunken…“

Falsch!

Leserresonanz:

Folgender Beitrag erreichte mich gestern aus Schottland:

Ich hab es gut. Ich lebe in einem Land ohne Girlandenmenschen. Jedenfalls solange ich vermeide mit zusammengewuerfelten, bildungsbürgerlichen und dementsprechend mehrheitlich fussballignoranten Expat-Communities Spiele zu gucken (….) Im schottischen Durchschnittpub versammeln sich bei den Spielen äusserst fussballsachverständige, englandhassende, überraschend häufig deutschlandwertschätzende, italiener- und spanierverachtende Trinker. Die gucken EM weil sie Fussball mögen und verstehen, obwohl sie nie einen Titel gewinnen werden und selbst bei Aufstockung auf 24 Mannschaften nur eine Aussenseiterchance haben ihr eigenes Land drei Niederlagen lang anzufeuern.

Wir müssen uns den Verfasser dieser Zeilen als glücklichen Menschen vorstellen. Wir wurden gestern aus der Kalker Ernstmeinereckkneipe mit diesen Audiogranaten bestrichen:

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Vielleicht hat die „Grüne Jugend“ ja doch nicht so unrecht?

 

 

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3 Comments

  1. […] Match Löws Aufstellung analysiert und die mögliche Taktik der Gegner seziert. Da bleibt für nationalistische Anwandlungen einfach keine […]

  2. […] Sturm, Drang & Aufklärung ballert die Altphilosophen diesmal aus dem Turnier! […]

  3. […] nicht ganz so leichte Gruppe, jedoch eine exzellente Vorbereitung auf die K.O.-Runde. Meine Haltung als Filmzitat, ZAG-induziert: Das muss das Boot […]