EURO2012-Tagebuch (22)

[Viertelfinale]

20.06.2012:

Endlich mal ein spielfreier Tag. Uff. Durchatmen. Gottseidank. Ein Privatleben!

Man könnte heute Abend mal wieder durchs Veedel flanieren Ja, das wird eine sehr aufgeladene Angelegenheit am Freitag. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Mutti Frau Dr. Merkel wegbleibt, um nicht noch das viel zitierte Öl ins Feuer zu gießen. Gott, wird das spannend, selbst Thünn Tünnenson hat ein wenig Muffensauen:

Erstmal dem frechen Griechen die Flötentöne beibringen! Mir wird jetzt schon blümerant. 60. Minute, es steht nullnull, die kommen das erste mal in Überzahl nach vorne…

Ich antwortete meinungsstark:

Blümeranz, mein Gesäß!

3. Minute: Erlösungstor für Supermüller, 20. min. Gigaözil mit einer IDEE gegen die chelseaesken Hallenhandballer mit ihrer 10-0-Verteidigung und batsch: 2:0. Dann treten die doch nur noch, die Limitiertos.

Der Replik entnahm ich, dass das Kommando Klettenberg mit dieser Vision durchaus leben könnte:

Das ist nun wahrlich nicht das Turnier der frühen Tore, Dein Wort in Gottes Ohr!

Das wär uns auch mal zu gönnen: 20 Minuten Anspannung und Aufregung, dann 70 Minuten entspanntes Auftrinken in Tateinheit mit fußballfachlicher Belehrung der Elendsbohème & Girlandenmenschen, gerne auch humorig.

So sei es. Denn ich teile diese Meinung hier rückhaltlos:

Özil und Müller bereiten mehr als die Hälfte aller deutschen Tore vor. Und dabei ist Müllers Quasi-Assist beim 1:0 gegen Dänemark noch gar nicht gezählt, weil sein Querpass aus Versehen Gomez’ Hacke gestreift hatte. Fazit: Ich will und brauche keine Müller-Debatte. Schon gar nicht vor dem wichtigen Viertelfinale am Freitag gegen Griechenland.

Ich möchte mal wieder Müller-Tore bejubeln. Und dann wird der Löw-Plan umgesetzt: EURO-Austritt für Griechenlands Fußballnationalmannschaft!

Wir gucken das K.O.-Spiel morgen in der „temporären Außenstelle des EM-Studios Kalk“ (TADESK), und da es ein „PrivateScreening“ ist, ist jeder Teilnehmer (m/w) völlig frei in der Wahl seiner Garderobe. Man kann als Girlandenmensch kommen. Und es wird auf jeden Fall im Wohnzimmer nicht gezündelt! Man kann sich auch in zivil vor den Fernseher setzen. Im Stadion ist diese Freiheit bei großen Turnieren scheinbar nicht mehr gegeben.

Denn irgendwann kommt die Zeit, in der man sich per se verdächtig macht, wenn man nicht albern kostümiert und bemalt zu Fußball-Welt- und Europameisterschaften ins Stadion geht. Wenn man nur ein Trikot und einen Schal, aber keinen „Gaucklerhut„, Osterhasenohren schwarz-rot-gold oder den „Deutschland Overall Jumpsuit M 50 Junggesellenabschied EM 2012 Ganzkörperbody“ trägt, gilt man doch dann direkt als „Gewalttäter Sport„! Obwohl, wie das ZAG so richtig bemerkte:

Besser „Gewalttäter Sport“ als „Gewalttäter Geschmack“.

Zumindest die Girlandenmenschen, die ich in Deutz auf dem Weg zur ARENA sehe, erinnern auch mich an die

Klientel, die seit der Einführung des Privatfernsehens in so Urlaubsdokus immer in der Gruppe in die Kamera schreit auf Mallorca. Dabei tragen sie alberne Kopfbedeckungen aus Sangriastrohhalmen und T-Shirts, auf denen „F***en, Kotzen, Saufen“ steht. (Thünn T.)

denn

(…) diesen Gestalten ist alles gleich, ob Malle, DSDS oder die wunderbare Deutsche Fußballnationalmannschaft. (ZAG)

Einigen sind die Girlandenmenschen jedoch total egal. Sie kritisieren lediglich das Girlandenmenschenbashing und finden es unangemessen:

Die auf »Eventfans« schimpfen und sich für die besseren, die wahren Fans halten, nur weil sie sich auch abseits von Großveranstaltungen für Fußball interessieren – wie arrogant ist das denn bitte?

Da bin ich völlig tolerant: Mir ist das alles total egal.  Ich will von links bis partynational einfach in Ruhe gelassen werden, im vuvuzelafreien Raum agieren und ohne Schminke und alberner Kopfbedeckung meine herrliche, junge Nationalmannschaft anfeuern.

Deal? 

Der gestrige Spieltag:

England – Ukraine 1:0 (0:0)

Der Mankunier mit der Frank-Sinatra-Gedenkfrisur durfte wieder mitwirken. Und machte das Spiel, wie das ZAG es so treffend nennt, „dümmer„. Gänsehaut bei der englischen Hymne. Hatte ich auch lang nicht mehr. England in den ersten 20 Minuten grottoid. Alle Resthaarträger auf dem Platz waren gegen Rooney. Zum Ende der 1. Halbzeit der Kurzdialog: „Was lachst Du?“ „Ich hab‘ über die Fehlpässe gekichert.“

Mit Beginn der zweiten Halbzeit profitiert der nordengliche Intellektuelle Rooney per Haarteil von einem Torwartfehler durch die „Unwucht des Balles“. 1:0. Dabei sollte es skandalöserweie auch bleiben. Der Könner mit dem Fiffi hatte noch die ein oder andere Möglichkeit, bald hieß es: „Die engländischen Fans bejubeln das wunderbare 1:0 von Satan Ibrahimovic.“ England wurde für das nicht gegebene Tor beim WM-Achtelfinale entschädigt und ein kristallklares Tor der Co-Gastgeber nicht gegeben. Denn: „Der Ball war einen Meter im Tor.“ (Oleg Blochin) Emo-Karussel Fußball. Das Niveau der Partie war dergestalt, dass man Italien jetzt schon zum Halbfinaleinzug gratulieren darf. Und der zweite Co-Gastgeber ebenfalls in der Vorrunde ausgeschieden ist. Ich hoffe, dass bleibt die letzte Parallele zu 2008. 😉

Schweden – Frankreich 2:0 (0:0)

Die Schweden ließen sich nicht hängen, sie sind halt keine Iro-Niederländer, und erzielten per Seitzieher Ibrahimovic das traumschöne 1:0. Kurz vor Schluss das 2:0 für die Schweden. Frankreich lethargisch & enttäuschend. Eine leichte Beute für Pipi-Kaka Tici-Taca.

Was sonst noch passierte / Presseschau:

Rooney und Tor-Skandal sorgen für Aus der Ukraine.

Der „Torklau von Donezk“ erbost die Ukraine.

EM-Skandal rettet England.

[Meta-Fußball]: Die traurigen Augen Englands.

Frankreich verliert und kommt weiter.

Arschlöcher“ – Platini beschimpft kroatische Fans!

Was nicht ins Weltbild der Uefa passt.

Fehlentscheidungen bei der EM: Peinliche Zufälle? Gewiss, mag sein

Viertelfinale komplett: Jetzt geht die EM erst richtig los!

Gegen Jogi hilft KEIN Rettungsschirm!

Jogis geheime Schlachtpläne.

Löw: „Ich erwarte eine Özil-Explosion!

Demut vs. Drecksau.

Scholli piesacken!

Bengalo-Irrsinn: Kein Public-Viewing mehr IN der Arena.

Hitlergruß beim „Rudelgucken“.

Wenn uns ein Dschungelkönig die Griechen erklärt.

Zitate des gestrigen Spieltags:

„Der Ball war einen Meter im Tor.“ (Oleg Blochin)

„Oleg Blochin ist ein Freak.“ (Reinhold Beckmann).

Erkenntnisse:

Bei SWR Late-Night auf einsfestival wurde am 19.06.2012 mit einem „Schnecken-Orakel“ aufgewartet. Billig und höchst kleptokreativ! Wenn ich da an „Weini, die WM-Schnecke“ aus dem Jahr 2010 denke:

Weini, die #WM-Schnecke ist erwacht! Ein Zeichen. Es wird ein 4:1-Sieg! #ger 4 – #aus 1 #orakel http://www.twitpic.com/1wg4lv

Weini, die #WM-Schnecke, stärkt sich nach dem anstregenden Spiel #ger #gha http://twitpic.com/1zfpj0

Ich befürchte, heute müssen wir OHNE die Hilfe von #Weini, der WM-Schnecke siegen…. http://www.twitpic.com/21zfwh

#Weini, die WM-Schnecke ist wach, aber konzentriert! #ger 2 – #esp 1. Sieg! http://twitpic.com/2391yu

Naja, man hat es nicht leicht als Redakteur, sich ständig neue Themen & Dinge auszudenken.

Leserresonanz:

Fehlanzeige.

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3 Comments

  1. […] zwei Runden weitergebracht. Ich finde [C-3PO, HS]-Bashing langweilig und uncool, was für Girlandenmenschen. Der spielt seit 10 Jahren Profifussball, hat sich mit 18 in der Premier League durchgesetzt, […]

  2. […] Resonanz auf die gestrige Ausgabe schrieb Michael Delvos […]

  3. […] Frankreich (mein Geheimfavorit – diesmal mit kleinem Supportertross) und Schweden weiter, Drittweltfußballengland weint wieder rum. Da können auch die bizarrsten Dystopien nicht helfen. Die Ukraine verkauft ihr Letzter werden als Akt des politischen Widerstandes. Die Ukraine hat aber immer noch einen bei mir gut: Sie waren 2006 beim langweiligsten Live-Fußballspiel beteiligt, das ich je mit eigenen Augen sah. Der nächste bitte. […]