Heute vor zehn Jahren: Der Einsturz des Stadtarchivs in Köln am 03.03.2009

Heute vor genau zehn Jahren stürzte um 13.58 Uhr das Kölner Stadtarchiv ein. Ich versuche, mich noch einmal an den Tag zu erinnern. 

Die Vorgeschichte: Die Don Debilos mit dem Bunsenbrenner.

Ich war mit dem ICE Martin Semmelrogge auf dem Weg nach Frankfurt ins Büro von Bearing Point, als ich in Köln-Mülheim, bei der laaaaangsamen Vorbeifahrt an der Gilden-Brauerei, riesige Rauchwolken und Feuer sah. Wie mir der Liveticker des KStA ab Montabaur verriet, hatte sich folgendes zugetragen: Don Debilo 1 und Don Debilo 2 hatten eine fantastische, ja, eine famose „Idee“:

Um die Klebeetiketten aus Papier von den Gilden-Leihfässern besser und schneller abzubekommen, griffen sie zum Bunsenbrenner oder Schweißgerät, um die Dinger abzuflammen. Wier ich finde: Eine Riesenidee, wenn sich zum Beispiel noch Kohlensäure in den Fässern (!) befindet, ein Teil aus Kunststoff (!!) ist und auf Holzpaletten (!!!) steht. Wie die Welt meldete, musste „die Feuerwehr mit 36 Fahrzeugen und 100 Leuten ausrücken […]. Nach einer guten Stunde war der Brand gelöscht.“

Während ich also nach dem Mittagessen immer noch dachte, „Mann, ist das peinlich, Deine hessischen Kolleginnen und die auch anwesenden Recruiting-Kollegen aus Berlin denken ja echt, in Deiner Wahlheimat leben nur Vollhonks„, da kam via Spiegel Online die Meldung über ein Unglück, einen Einsturz in Köln. War es 13.00 Uhr? War es 14.00 Uhr? Ich kann mich ohne Recherche nicht mehr erinnern. Was ich noch weiß:

Ich saß im Büro und wusste, dass die feynschliff-Chefin einen Termin in der Nähe hatte. Und das beunruhigte mich sehr. Sehr! Bis dahin war es die größte Herausforderung in Köln am Rhein, dass Wort „Stadtarchiv“ richtig auszusprechen.

Auch dieses Plakat ist in den letzten zehn Jahren deutlich gealtert … wie wir alle!

Der Einsturz:

Gottseidank meldete sie sich recht schnell und beschrieb, wie sie vor – nicht nur gefühlt – etwa 100 Feuerwehr- und Krankenwagen – und einem gähnenden Loch stand. So hatte ich es zumindest im Kopf, nach all den Jahren. Aber wie sie im Rahmen der Diskussion über diesen Blogbeitrag sagte, war es viel banaler: Der Einsturzort wurde sofort großräumig abgesperrt und man gelangte nur noch bis zur Severinstraße. Aber, und das ist das Wichtigste:

Alles war mit ihr in Ordnung. Wie durch ein Wunder konnten sich viele Menschen aus der Baugrube und dem Stadtarchiv selbst retten – für Kevin und Khalil, die wohl zum Zeitpunkt des Einsturzes schliefen – kam jedoch jede Hilfe zu spät. Ein meinungsfreudiger Freund schrieb am Abend per E-Mail: „Was Bomber-Harris nicht gepackt hat, hat die U-Bahn geschafft. Bin schon jetzt auf den Karnevalswagen zum Thema gespannt. Viva Colonia!“ Ähnlich pointiert formulierte es Andreas Rossmann zwei Tage später in der FAZ:

Was der Einmarsch der Franzosen 1794 und der Zweite Weltkrieg nicht vollbracht haben, hat der U-Bahn-Bau in Köln, der mit großer Wahrscheinlichkeit die Ursache für den Einsturz des Hauses Severinstraße 222–228 ist, geschafft: Das Historische Archiv der Stadt, in dem mehr als tausend Jahre ihrer Geschichte aufbewahrt wurden, ist weitgehend zerstört, das Gedächtnis des Gemeinwesens ausgelöscht.“ Hatte man nicht auch kurz vorher das Böll-Gesamtwerk erstanden? Und was ist mit dem Nachlass von Rolf Dieter Brinkmann?

Am späten Nachmittag twitterte ich, immer noch völlig konsterniert:

Und dann trudelten im Verlauf des Nachmittags und späten Abends böse Nachrichten ein, in denen u. a. die Abkürzung KVB als „Kultur Vernichtungs Bahn“ aufgelöst wurde.

Und dennoch habe ich in Erinnerung, dass ohne die Geistesgegenwart eines Busfahrers noch viel mehr Opfer als die zwei Toten zu beklagen gewesen wären. Im Februar 2018 schrieb ich dazu noch „Mit Blick auf den Einsturz des Stadtarchivs hoffe ich, dass das der Wendepunkt war: Die Selbstbesoffenheit führte zum Gedächtnisverlust. Hoffentlich sind jetzt alle wieder nüchtern.“ 

„Die Grube sieht von Besuch zu Besuch gruseliger aus.“ (Anja Sauerwald, Juni 2016)

Was wohl die Gründe für diese Katastrophe waren? Ob sie, Verjährung hin, Verantwortung ablehnen her, je herausgefunden werden? Wird man diese kölnische (nicht: kölsche) Katastrophe überhaupt aufklären können?!  

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Joseph Beuys würde heute noch sagen: „Zeig‘ mir Deine Wunde. Diese hier wird aber immer ebben, eitern & gären. Und niemals verheilen. Nie.

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